Rezensionen
An dieser Stelle finden Sie monatliche Rezensionen zu
unseren persönlichen Buchempfehlungen.
Empfehlungen für den Monat April 2025
Norbert Ruhrhofer: Mord in Bad Vöslau
Im beschaulichen Bad Vöslau stirbt beim Kurstadtlauf ein älterer Rollstuhlfahrer. Doch was hat der schwer herzkranke Mann im Trubel dort überhaupt zu Suchen gehabt? Und ist er wirklich eines natürlichen Todes gestorben? Diese Fragen beschäftigen das Ehepaar Pokorny sowie die alte Frau Katzinger, die über alles und jeden in Bad Vöslau Bescheid weiß.
Der erste Band dieser unterhaltsamen Regionalkrimi-Serie besticht mit seinen amüsanten, teilweise skurrilen Charakteren, die mit unerbittlicher Hartnäckigkeit der örtlichen Polizei helfen, den Fall zu lösen.
Daniela Raimondi: Das erste Licht des Sommers
Norma wächst in einem norditalienischen Dorf auf, ohne viel Liebe von ihrer Mutter zu bekommen. Ihre Cousine Donata ist wie eine Schwester für sie, doch als junge Frauen trennen sich ihre Wege. Norma zieht nach London, wo sie Elia, ihre Liebe aus Kindestagen, wiederfindet und heiratet. Jahre danach erfährt sie, dass Elia sie schon auf der Hochzeitsreise betrogen und ein Kind gezeugt hat. Erst Jahre später, als Norma ihre Mutter am Sterbebett begleitet, findet sie ihren Frieden.
Ein berührender, jedoch unsentimentaler Generationenroman, großartig erzählt.
Empfehlungen für den Monat März 2025
Marco Balzano: Café Royal
Der Lockdown ist im Sommer 2020 endlich vorbei, die Bewohner der sonst belebten Via Marghera in Mailand sitzen wieder im Café Royal. In wechselnden Perspektiven beschreibt Balzano diese Personen, deren Geschichten und Lebenswege sich teilweise kreuzen. Man erfährt von kriselnden Ehen, Männern, die fremdgehen, vom Leben einer Drogenabhängigen, die auf der Straße lebt, von verkorksten Mutter-Tochter-Beziehungen und einer alten Frau, die alleine in einer großen Wohnung wohnt.
Café Royal ist eine kurzweilige und leichte, aber keineswegs seichte Lektüre, die den aktuellen Zeitgeist gut trifft.
Michael Köhlmeier: Die Verdorbenen
Während seiner Studienzeit in den 1970ern lernt der Einzelgänger Johannes ein Pärchen kennen – Christiane und Tommi. Ohne sich näher zu kennen, beschließt Christiane, dass sie fortan mit Johannes leben möchte. Eine leidenschaftslose Dreiecksbeziehung entsteht, aus der Johannes immer wieder flüchtet. Auch sein latent seit der Kindheit vorhandener Wunsch, einmal einen Mann zu töten, lässt Johannes nie los.
In diesem packenden Kurzroman geht es um menschliche Abgründe und um die Frage, wie das Böse in die Welt kommt.
Empfehlungen für den Monat Februar 2025
Daniel Glattauer: In einem Zug
Eduard Brünhöfer ist Bestsellerautor von Liebesromanen, nur hat er bereits seit Jahren kein Buch mehr geschrieben. Er will nicht mehr über die Liebe schreiben und ist auch sonst eher kommunikationsfaul. Im Zug nach München, wo ihn ein unangenehmer Termin erwartet, sitzt ihm Catrin Meyr gegenüber. Sie verwickelt ihn rasch in ein Gespräch, das so gar nicht nach seinem Geschmack ist, und stellt ihm unverfroren Fragen zu seiner langjährigen Beziehung. Langsam fasst er Vertrauen, doch ganz sicher ist er sich nicht, welches Spiel hier gespielt wird.
Eine unterhaltsame, spritzige Lektüre, bei der der verbale Schlagabtausch im Zug zu einer überraschenden Wendung führt.
Empfehlungen für den Monat Jänner 2025
Petra Pellini: Bademeister ohne Himmel
Die 15jährige Linda besucht drei Mal pro Woche den dementen Hubert, der von einer polnischen Pflegerin liebevoll betreut wird. Intuitiv und mit unkonventionellen Ideen begegnet sie dem ehemaligen Bademeister, der zunehmend in seiner eigenen Welt versinkt. Doch eigentlich will Linda nicht mehr leben. Zu ihrer alleinerziehenden Mutter hat sie kein besonders gutes Verhältnis, ihr einziger Freund Kevin verzweifelt am Niedergang der Erde, und Hubert wird wohl bald sterben. Trotzdem erkennt Linda am Ende, warum es sich lohnt, am Leben zu bleiben.
Mit Humor und Leichtigkeit widmet sich dieser berührende, tiefgründige Roman dem schweren Thema der Demenzerkrankung.
Richard Osman: Wir finden Mörder
Amy Wheeler ist Personenschützerin einer britischen Agentur, ihr aktueller Auftrag lautet, auf einer Privatinsel auf eine beliebte, sehr reiche amerikanische Schriftstellerin aufzupassen. Leider passiert schon wieder ein Mord in ihrer Nähe, auch diesmal ist es wieder ein unbekannter Influencer. Irgendjemand will ihr offenbar die Morde in die Schuhe schieben. Amy bittet ihren Schwiegervater, der seine Pension in einem britischen Dorf genießt, um Hilfe. Mit dessen beschaulichem Leben ist es damit zu seinem Leidwesen vorerst vorbei.
Der Autor vom „Donnerstags Mordclub“ hat auch in diesem ersten Teil einer neuen Krimiserie sehr liebenswürdige, teils schrullige Charaktere erschaffen, die in einer spannenden, actionreichen Handlung einem großen Unbekannten das Handwerk legen.
Empfehlungen für den Monat Dezember 2024
Han Kang: Griechischstunden
Die namenlosen ProtagonistInnen, beide auf ihre Art einsam, treffen in einem Altgriechisch-Kurs aufeinander. Er, der Lehrer, verliert zunehmend sein Augenlicht, ist beinahe blind. Sie, eine geschiedene Mutter, die ihren Sohn nur alle zwei Wochen sehen darf, spricht nicht mehr. Rückblicke in Form von Erinnerungen und Briefen erzählen mehr über das Leben der beiden.
Griechischstunden ist ein unkonventioneller Roman der Nobelpreisträgerin, philosophisch aber auch berührend, der den Fragen nach dem Sinn und dem Vermögen von Sprache nachgeht.
Judith W. Taschler: Nur nachts ist es hell
Hierbei handelt es sich um die Fortsetzung des Vorgänger-Romans „Über Carl reden wir morgen". In diesem Roman wird die Geschichte der Familie von Carls jüngerer Schwester Elisabeth Brugger erzählt. Sie schildert ihre Zeit im ersten Weltkrieg als Lazarettschwester sowie den harten Weg durch das Medizinstudium als eine von damals noch sehr wenigen Frauen. Sie nimmt sich jenen Frauen an, die nicht-geglückte illegale Abtreibungen hinter sich haben, und begibt sich dabei selbst in Gefahr. Wieder ein gewohnt spannender Roman, der mit persönlichen Schicksalen durch die Zeitgeschichte führt.
Empfehlungen für den Monat November 2024
René Lafitte: Der tote Bäcker vom Montmartre
Geneviève Morel – hübsch, tough und unnahbar - leitet überaus erfolgreich ein Kommissariat im Pariser Montmartre-Viertel. Dass sie einer vermögenden Kunstsammlerfamilie entstammt, die ihren Reichtum nicht ausschließlich auf legalem Weg erlangt hat, verschweigt sie lieber. Als die Wahl des besten Baguettes von Paris ansteht, wird der Bäcker mit den besten Aussichten ermordet aufgefunden. Die Sache ist nicht so einfach, wie es auf den ersten Blick scheint, und Geneviève benötigt einen Tipp ihrer Familie zur Auflösung des Falls.
Beim Lesen findet man sich inmitten des belebten Montmartre-Viertels wieder, man kann Baguette und Pain au chocolat förmlich riechen. Die originelle Figur der Kommissarin Geneviève Morel löst hier ihren ersten Fall, der Krimi ist spannend und unterhaltsam bis zur letzten Seite.
Verena Dolovai: Dorf ohne Franz
Maria wächst in der bäuerlichen Enge eines Dorfes auf. Als Mädchen ist sie in den 1960er Jahren nichts wert, findet sich „eingeklemmt zwischen zwei Brüdern, von denen der eine Erbe und der andere Exot und Mamas Liebling ist“. Ergeben fügt sie sich in die ihr zugeteilten Aufgaben und Rollen, und spürt doch die Sehnsucht nach einem selbstbestimmten Leben weit weg. Als dann ein Tiefpunkt erreicht scheint, nimmt Marias Leben eine Wendung.
Das Romandebut von Verena Dolovai besticht durch eine klare, geradlinige Sprache, die nichts beschönigt. Gebannt folgt man dem Lebensweg der Ich-Erzählerin, der trostlos scheint, jedoch trotz allem von einer Frau erzählt, die niemals aufgibt.
Empfehlungen für den Monat Oktober 2024
Arno Geiger: Reise nach Laredo
Karl ist alt und müde, er hat sich von seinem hohen Amt in ein spanisches Kloster zurückgezogen. Sein Leben reflektierend, wartet er eigentlich nur mehr auf den Tod. Doch eines Nachts ergreift er gemeinsam mit dem elfjährigen Geronimo auf Maultier und Pferd die Flucht. Die beiden erleben wilde Abenteuer, landen bei einer Wunderheilerin und schließlich in einem heruntergekommenen Wirtshaus. Auf seiner Reise lernt Karl jedoch nicht nur treue Weggefährten, sondern auch das kennen, was ihm als Herrscher fremd geblieben ist: Freundschaft. Unbeschwert kann er zudem endlich das tun, wonach ihm steht.
Die Reise nach Laredo ist ein fiktionaler Historienroman, zeitweise etwas pathetisch, fesselnd erzählt und in seiner Thematik eigentlich zeitlos.
Empfehlungen für den Monat September 2024
Antoine Laurain: Auf gefährlich sanfte Art
Nathalia ist die aktuelle Patientin des Psychoanalytikers Dr. Faber. Sie spricht nicht viel, sondern lässt Dr. Faber vor jeder Sitzung eine Geschichte zukommen. Diese handeln jeweils von einem ihrer Nachbarn, die Nathalia von ihrer Wohnung in einem Pariser Mietshaus aus beobachtet. Tatsächlich gibt es diese Personen, doch sind diese ausführlichen Lebensgeschichten auch war? Bei der letzten Geschichte jedoch geht Dr. Faber ein Licht auf … .
Eine spannende Erzählung, die harmlos beginnt und sich wie ein Krimi steigert.
Marie Matisek: An den grünen Hängen des Vesuv
Selinas Großvater Sergio Catalongo ist in den 1950er Jahren als Gastarbeiter von Italien nach Deutschland gekommen, wo er eine Familie gegründet und sich erfolgreich eine Existenz mit einem Eissalon aufgebaut hat. Über seine Herkunft oder Verwandte in Italien will er nicht sprechen. Als er in hohem Alter stirbt, macht sich Selina, die kaum Verbindung zu Italien hat, Gedanken über ihre Wurzeln. Kurzerhand beschließt sie, an die Amalfiküste zu fahren, wo ihr Großvater geboren wurde. Dort wandelt sie auf den Spuren ihrer italienischen Familie und enthüllt nach und nach das Schicksal von Sergio.
Das neue Buch von Marie Matisek ist ein stimmungsvoller Italienroman und eine berührende, spannende Familiengeschichte.
Empfehlungen für den Sommer 2024
Elke Heidenreich: Altern
Elke Heidenreich veröffentlicht in ihrem zweiundachtzigsten Lebensjahr ihre Gedanken zum Altwerden. Mithilfe von zahlreichen Zitaten aus der Literatur schreibt sie über die letzten Jahrzehnte des Lebens und wie unterschiedlich diese individuell empfunden werden. Ein Plädoyer auf Autonomie, Würde und Respekt, das Leben im Jetzt sowie ein wenig Kritik an der aktuellen Gesellschaft und Politik und deren Umgang mit dem Alter. Gekonnt und bekannt witzig und spritzig liest sich Elke Heidenreichs Abhandlung über das Altern.
Isabel Allende: Der Wind kennt meinen Namen
Der sechsjährige Samuel Adler wird 1938 von seiner Mutter mit einem Kindertransport nach England geschickt, um ihn vor der Verfolgung der Nazis zu schützen. Der stille, musikalisch hochbegabte Bub wird herumgereicht und findet schlussendlich Pflegeeltern, die ihm Geborgenheit geben. Sein Lebensweg führt ihn in die USA, wo ihn im hohen Alter das Schicksal mit einem Flüchtlingskind aus El Salvador zusammenführt. Auch die kleine Anita verliert nie die Hoffnung auf der Suche nach Heimat und Sicherheit, die sie schließlich bei Samuel finden wird.
Isabel Allende verwebt die beiden Lebenswege über Gegenwart und Vergangenheit geschickt miteinander, sodass ein berührender, mitreißender Roman entsteht.
Empfehlungen für den Monat Juni 2024
Heinrich Steinfest: Sprung ins Leere
Aus Liebe zur Kunst arbeitet Klara als Aufseherin im Wiener Kunsthistorischen Museum. Eines Tages tauchen in einer Lagerhalle in München einige Werke ihrer Großmutter Helga Blum auf, über die in der Familie geschwiegen wird. 1957 war diese plötzlich spurlos verschwunden und hatte ihre einjährige Tochter zurückgelassen. Klara setzt sich gegen den Willen ihrer Mutter in den Kopf, nach ihrer Großmutter zu suchen. Stück für Stück nähert sie sich dem Rätsel um das Verschwinden der Künstlerin Helga Blum. Klaras Suche führt sie schließlich nach Japan, wo sich die Ereignisse überschlagen.
Bei Sprung ins Leere verschwimmt die Grenze zwischen Realität und Fiktion gelegentlich, es ist ein kunstvoller Roman, spannend, rätselhaft und hintergründig – ein besonderes Leseerlebnis.
Bettina Balàka: Der Zauberer vom Cobenzl
Wien 1844: Carl Ludwig Freiherr von Reichenbach lebt mit seinen zwei Töchtern Hermine und Ottone im Schloss Cobenzl und ist leidenschaftlicher Wissenschaftler. Auf der Suche nach dem sogenannten Od, der durch alle Dinge und Lebewesen strömenden Kraft, verliert er beinahe seinen Verstand. Während Hermine sich selbst der Wissenschaft verschrieben hat und ihren Vater tatkräftig in seiner Forschung unterstützt, ist ihre Schwester eine Klaviervirtuosin. Obwohl der Vater beide Töchter in ihren Leidenschaften bekräftigt, verbietet er es ihnen, zu heiraten, aus Angst, alleine zu bleiben. Die beiden jungen Frauen lehnen sich schließlich gegen ihn auf und nehmen ihr Leben und die Liebe selbst in die Hand, während der Vater im Schloss zunehmend zu verkommen droht.
Empfehlungen für den Monat Mai 2024
Gabriel García Márquez: Wir sehen uns im August
Jedes Jahr im August fährt Anna Magdalena Bach, Mitte 40 und glücklich verheiratet, mit der Fähre zum Grab ihrer Mutter auf einer Karibikinsel. Sie nimmt jedes Jahr denselben Taxifahrer, sie steigt im selben Hotel ab und kauft die Blumen bei derselben Marktfrau. Als sie eines Tages mit den Konventionen bricht und beginnt, sich für diese eine Nacht auf der Insel einen Liebhaber zu nehmen, fängt sie an, ihr Leben zu hinterfragen und macht eine erstaunliche Entdeckung.
In diesem Kurzroman, der posthum von seinen Söhnen veröffentlich wurde, erzählt Márquez in einer poetischen Sprache eine Geschichte über Liebe, Betrug und den Bruch von Konventionen.
Bella Osborne: So was wie Freunde
Tom, ein unsicherer Teenager, wächst mit seinem alkoholkranken Vater auf. Sein Leben ist trist und einsam. In der örtlichen Bücherei lernt er Maggie kennen, eine junggebliebene Dame in den 70ern, die allein ihre abgelegene Schaffarm bewirtschaftet. Nach und nach freunden sich die beiden an, und langsam verändert sich ihr Leben zum Positiven. Als dann die Bücherei geschlossen werden soll, gelingt es den beiden, den ganzen Ort zu mobilisieren. So was wie Freunde ist die berührende Geschichte einer besonderen, generationsübergreifenden Freundschaft, unterhaltsam und bewegend erzählt.